Avicii’s Dokumentation schmerzt in meinen Zellen

Ich muss ein paar Worte loswerden. Und zwar so, wie ich es früher gemacht habe. Sobald mich etwas beschäftigte, habe ich es einfach nieder geschrieben und meine Gedanken geteilt. Teilweise auch, um die Dinge selbst verarbeiten zu können. Seit Sommer 2017 hatte ich dazu wenig Kraft und Lust, vor allem weil ich sehr wenige dieser (sonst regelmäßigen) Impulsen hatte, die sofort das Bedürfniss entwickelten etwas loszuwerden und auf kreativer Art und Weise zu teilen. Ich fühle mich aber (schon länger) wieder sehr kreativ, glücklich und gesund, dass ich nun meinen Instinkten wieder ganz folgen und vor allem vertrauen, kann. Passend zur Avicii Dokumentation. (ps: der Beitrag ist etwas spät, ich weiß. Ich hatte dazu auch einen Podcast, aber leider funktionierte was nicht mit der Aufnahme, dass sich das nach hinten verschoben hat haha).

Ein tiefes Loch

Am 20. April ging der schwedische DJ Tim „Avicii“ Bergling von uns. Es lagen keine Informationen vor, wie es zum Tod kam, aber die Vermutungen waren stark und es wurde auch nach wenigen Tagen bestätigt. Er nahm sich das Leben..

Mir dreht es meinen Magen um, wenn ich daran denke, dass eine Person in solch ein tiefes Loch fallen kann und absolut keinen Ausweg mehr sieht. Ich lag auch schon tief und kann mich mit gewissen Dingen, die in der Dokumentation gezeigt werden, identifizieren. Ihm ging es schlecht. Du siehst das, aber warum tut niemand was?

Ein unschulidger Junge von nebenan. Introvertiert. Ein Genie. Eine unglaubliche Passion für’s Musik machen.

Rasanter, weltweiter Erfolg. Freude, Konzerte, Kick, Ruhm.

19 Jahre alt.

Geldgierige Menschen rundherum. Alle wollen was von dir.

Das Hamsterrad ist im vollen Gang. Mehr Konzerte. Mehr Flüge. Mehr Interviews. Mehr Reisen. Mehr Trubel…

Die Welle strömt weiter und weiter

Warum diese Dokumentation so wichtig ist? Obwohl Tim immer wieder sagt, dass ihm alles zu viel wird, dass er bald nicht mehr kann, dass er dem Tod nahe ist, so läuft das Hamsterrad weiter. Es ist unmöglich auszusteigen. Es wird noch mehr, gegen seinen Willen, eingebucht. „Halt noch ein bisschen aus“.

Du schaust die Doku und siehst einen Jungen, dessen Organe versagen, der voll mit Schmerzmittel gepumpt ist, doch im Taxi sitzt und weitere Interviews und Buchungen werden durchgezogen. Das einzige, was man machen will, ist zu schreien: „Verdammt! Warum tut denn niemand was?“

Aber so einfach ist es nicht.

 

 

Versklavt durch die eigene Leistung, durch das eigene Talent. Das, was früher pure Freude war, wird zur Qual. Die Anstrengung hört nie auf. Das Gefühl der Machtlosigkeit zu spüren, dass die Lawine so schnell nicht stoppen wird, ist die Hölle. Das Streben nach Anerkennung. „Nicht Aufhören, wenn’s gerade läuft.“ Ein hohes, konstantes Tempo, um ja nicht in Vergessenheit zu geraten und das zu verlieren, was man sich gerade aufgebaut hat. Schuldgefühle, dass die Konsequenzen einfach zu groß sein könnten. Die Wiedererkennung ist so groß, dass es mir den Magen umdreht.

„Sag doch einfach ‚Nein'“, doch wenn du dir selbst sowas aufgebaut hast, dann ist das nicht so einfach. Speziell dann nicht, wenn dieses „Nein“ andere negativ beeinlussen können. Allerdings sagt „Avicii“ eindeutig Nein, aber geldgierige Leute arbeiten mit ihren Tricks. Der Manager sagt, dass Tim nicht den Wert des Geldes erkennt (zu dieser Zeit muss er schon mehrere MILLIONEN gemacht haben) und macht ihm ein schlechtes Gewissen. Natürlich wird auch der Mangager von Platten- und Konzertverträgen gepresst, aber hier ging es nicht um „Oh, ich hab keine Lust“ von Tim, sondern um psychische Probleme, die sich sogar schon auf den Körper ausgewirkt haben.

„Kannst du nicht noch… Nur dies hier.. Wenn du ein bisschen.. du packst das schon Junge..“

Hier kommen wir auch schon zum eigentlichen Grund dieses Posts. Man muss kein Weltstar sein, um sich in Teilen wiedererkennen zu können. Auch, ist Avicii’s Fall, dass ein Musiker viel zu früh von uns ging, kein Einzelfall. Aber seine Story, weil diese Doku so gut dokumentiert ist, kann ein Wake Up Call – ein Wachruf für alle sein, die entweder auch mit mentalen Problemen kämpfen, unter enormer Dauerbelastung und Stress stehen und gepresst werden oder innere Glaubenssätze haben und aufgrund dessen sich auch mehr oder weniger in Überbelastungen treiben.

Noch mehr und mehr

„Ich hatte alles, was ich mir jemals hätte erträumen können, eigentlich müsste es mir gut gehen“, sagt Tim. Ich glaube auch hier kann man sich wiedererkennen. Ständig wollen wir mehr –  Ruhm, Geld, bessere Noten, Anerkennung – erreichen das womöglich auch, aber etwas passt trotzdem nicht. Ich sollte ja glücklich sein, bin es aber nicht. Die Alarmglocken läuten ihre tragische Musik für die Menschheit. Burnout und Depression sind die neuen Volkskrankheiten und 1/3 aller Menschen (tendenziell Frauen) erleiden früher oder später mal eine Depression.

Ich kann da mittlerweile (und gottseidank) sehr neutral drauf blicken, aber vor ein paar Jahren hätte ich das nicht können (bzw. auch im Sommer nicht). Was ich eigentlich sagen will, ist, dass wir nie wissen, was im anderen Menschen vor sich geht. Von außen kann alles perfekt wirken, aber wir wissen nicht, was innen passiert. Wenn es dir schlecht geht, rede darüber, auch, wenn das so ziemlich das allerletzte ist, was man tun will, I know. Die Schuld- und Schamgefühle sind so groß, aber das Umfeld wird verstehen. Pausen sind wichtig, um sich nach Belastungen wieder erholen zu können und das eigene Wohlbefinden ist wichtiger, als ein Chef, der mehr und mehr von dir will. Am wichtigsten bist du, als Mensch. Nicht als Maschine, die Leistung bringt.